Ein kleiner Herd mit großer Wirkung

29.07.2020

Ein kleiner Herd mit großer Wirkung

Seit 1. Januar 2020 ist FUCHS ein bilanziell CO₂-neutrales Unternehmen. Da der Konzern nicht sämtliche Emissionen vermeiden kann, kompensiert er seinen restlichen CO₂-Ausstoß durch den Ankauf von Klimazertifikaten — und trägt damit an verschiedenen Orten rund um den Globus zur nachhaltigen Entwicklung bei. Ein Beispiel aus Uganda.

Sarah Nabayego fächelt sich mit der Hand Luft zu. Auf ihrer Stirn streiten trotzdem Schweißperlen um die besten Plätze. Die Uganderin hat sich die Haare mit einem blauen Tuch zurückgebunden, ein zweites trägt sie um die Hüfte. Heiß ist es in ihrer Hütte am Stadtrand von Kampala. In einer Ecke lodert ein Feuer. Der aufsteigende Rauch hat die Wellblechstücke, die sich an der Feuerstelle befinden, längst schwarz gefärbt, an manchen platzt die oberste Schicht weg. In mehreren Behältern, die wackelig auf brennenden Holzstücken und improvisierten Feuerumfassungen stehen, köchelt das Essen.

Auch Juliet Namirrimu macht sich gerade ans Kochen. Mit einem dunkelblauen Plastikstuhl hat sie es sich auf ihrer Veranda bequem gemacht. Zwischen ihr und der Hauswand steht ein runder, grauer, leicht ramponierter Kochherd, auf der Balustrade wartet eine große Schale voller Reiskörner auf ihren Einsatz. Während auf der Straße die Menschen vorbeischlendern, beginnt es im Herd, unter der sorgfältig geschichteten Holzkohle rot zu glimmen. Ab und an züngeln kleine Flammen zwischen den schwarzen Kohlestücken hindurch – ohne Rauch, ohne Ruß, ohne übermäßige Hitze. Mehr dazu später.

Juliet Namirrimu kocht täglich für zehn Personen und schätzt die vielen Vorteile des effizienten Kochherds.

Wie verbesserte Kochherde das Klima Ugandas und die Gesundheit der Menschen schützen – mit Unterstützung von FUCHS.

Die Perle Uganda verliert an Glanz

Uganda liegt im Osten Afrikas, direkt am Äquator. Zahlreiche Naturschönheiten machen das Land zu etwas Besonderem innerhalb Afrikas. Auch wenn das Binnenland am Viktoriasee immer noch mit seiner berauschenden Landschaft begeistern kann, so haben der Jahrzehnte lange Bürgerkrieg und der Klimawandel doch längst ihre Spuren in Bevölkerung und Natur hinterlassen.

Im Human Development Index, dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen, belegt Uganda im Jahr 2019 Rang 159 von 189. Allein in der Hauptstadt Kampala, einer Metropole mit schätzungsweise mehr als zwei Millionen Einwohnern, leben viele Menschen in Slums mit unzureichender Infrastruktur. Zudem leidet Uganda massiv unter dem Problem der Abholzung. In den vergangenen zehn Jahren hat das Land 50 Prozent seiner Waldflächen verloren, was unter anderem zu Erosion und Problemen bei der Wasserversorgung führt. Zu den Hauptgründen der Rodungen zählt die hohe Nachfrage nach Holz, der nach wie vor wichtigsten Energiequelle in vielen Haushalten.

Rang 159 von 189 belegt Uganda auf dem aktuellen Human Development Index der Vereinten Nationen. Das Land steht damit gemeinsam mit Tansania zwischen Nigeria und Mauretanien. 

Genau hier setzt eine Initiative des Kompensationsdienstleisters First Climate an, die FUCHS durch den Ankauf von Klimazertifikaten mitfinanziert. „Mit energieeffizienten Kochherden helfen wir der Bevölkerung nicht nur, Brennstoff und damit knappes Geld zu sparen, sondern auch die Abholzung der lokalen Wälder und den Ausstoß von CO2 einzuschränken. Zudem nutzt unser Projekt der Gesundheit und fördert die lokale Wirtschaft“, erklärt Dr. Jochen Gassner, Vorstand von First Climate. Als eines der größten Klimaschutzprojekte Ostafrikas hat das Gold-Standard-Projekt (siehe Infobox) allein im Jahr 2019 eine Einsparung von mehr als 500.000 Tonnen CO2 erreicht. 

Kochen mit Köpfchen

Im Jahr 2006 haben der Kompensationsdienstleister First Climate und der Projektentwickler Impact Carbon ein Projekt gestartet, das die Verbreitung energieeffizienter Kochherde in Uganda vorantreibt. Die Wertschöpfung findet dabei vollständig vor Ort statt, denn Produktion und Vertrieb der Kochherde übernehmen einheimische Firmen in Kampala. Aufgrund seines hohen ökologischen, sozialen und ökonomischen Mehrwerts ist das Projekt mit dem Gold Standard zertifiziert, der maßgeblich auf den Regeln des Kyoto-Protokolls zur Berechnung von CO₂-Einsparungen aufbaut und von der Gold Standard Foundation mit Sitz in Genf vergeben wird. Derzeit sind rund 520.000 Herde aus dem Projekt in und um Kampala in Gebrauch, was allein 2019 mehr als 500.000 Tonnen CO₂ eingespart hat. Ziel der Projektpartner ist die weitere Verbreitung der Effizienz-Herde im urbanen Raum. Zudem könnte die für das Projekt aufgebaute Infrastruktur auch zur Verbreitung anderer nachhaltiger Produkte wie beispielsweise von Wasserfiltern oder Solaranlagen genutzt werden.

Rund 50 Prozent seiner Waldflächen hat Uganda in den vergangenen zehn Jahren verloren.

Altbekannte Technik bringt viele Vorteile

In Juliet Namirrimus zerbeultem Kochtopf brutzeln bereits Zwiebeln und Tomaten und verströmen einen aromatischen Duft. „Ich nutze diesen Kochherd seit zwölf Jahren und er funktioniert immer noch“, sagt die mehrfache Mutter, die in ihrem Haushalt täglich für zehn Personen kocht. „Mit dem Herd kann ich viel Holzkohle und damit viel Geld sparen, mit dem ich andere Dinge kaufen kann. Und das Essen wird schneller fertig.“ Sie reißt eine kleine Tüte mit hellbrauner Flüssigkeit auf und gibt diese zum Gemüse. Es zischt und dampft aus dem Topf. Die Puffärmel ihres geblümten Kleides wackeln, während sie schnell nach dem Kochlöffel greift und das Essen umrührt.

Dass die neuen Herde besonders effizient sind, liegt am sogenannten Kamineffekt, einer einfachen und altbekannten Technik. Während traditionelle Herde Holz und Holzkohle nicht vollständig in Wärmeenergie umwandeln, saugen im gut isolierten Kochherd die aufsteigenden heißen Gase frische Luft durch eine Klappe in den Brennraum nach. Der zusätzliche Sauerstoff steigert die Temperatur, wodurch die Kohle effizienter verbrennt – und sauberer, denn bei der traditionellen Kochweise entsteht neben viel Ruß auch das giftige Gas Kohlenmonoxid.

Die Kochherde gibt es in verschiedenen Größen, die Preise liegen zwischen zehn und 20 US-Dollar.

Hier werden später die Kohlestücke geschichtet. Durch die Löcher gelangt stetig frische, sauerstoffreiche Luft in den Brennraum, was für einen effizienten, saubereren Brennvorgang sorgt.

Firmen vor Ort stellen die effizienten Kochherde her und vertreiben sie auch. Die Wertschöpfung bleibt so vor Ort.

520000
Kochherde
aus dem First-Climate-Projekt sind derzeit in und um Kampala in Gebrauch. Allein im Jahr 2019 hat das für eine CO₂-Einsparung von mehr als 500.000 Tonnen gesorgt.

Für ihren Haushalt würde sich Sarah Nabayego genau so einen Herd wünschen. Nabayego kocht nur in ihrer Hütte über offenem Feuer. In ihrem kleinen Restaurant, das sie am Rande Kampalas betreibt, nutzt sie hingegen drei effiziente Herde und kennt so die Vor- und Nachteile beider Kochweisen. „Über offenem Feuer zu kochen, verbraucht viel Brennholz und man produziert viel Rauch“, sagt sie und lehnt sich an ihre improvisierte Küchenablage. „Der Rauch ist eine Gefahr für Lunge und Augen und verursacht ständige Kopfschmerzen.“

Sarah Nabayego schürt das Feuer unter ihrem Essen.
Holz ist in vielen Haushalten Ugandas noch immer der wichtigste Energieträger.
Kopfschmerzen, Probleme mit Augen und Lunge: Sarah Nabayego kennt die Nachteile der offenen Feuerstellen.
Die neuen Kochherde verbrennen zwar ebenfalls Holzkohle, dank des Kamineffekts tun sie das aber wesentlich effizienter als die traditionellen Herde.
Rund 50 Prozent Brennstoff kann eine Familie mit einem solchen Herd einsparen. Das entspricht einem Gegenwert von 100 US-Dollar pro Jahr.

4,3 Mio.
Menschen

sterben laut Weltgesundheitsorganisation weltweit jedes Jahr durch den Rauch von offenen Feuerstellen. Allein in Uganda sind es rund 20.000.

Das Projekt hat Potenzial

Die effizienten Herde kosten je nach Größe zwischen zehn und 20 US-Dollar und sind damit deutlich teurer als die traditionellen Herde. „Aber mit einem solchen Herd kann eine Familie bis zu 50 Prozent an Brennstoff einsparen“, erklärt Gassner. „Das entspricht einem Gegenwert von 100 US-Dollar pro Jahr.“ Die Anschaffungskosten amortisieren sich also schnell. Durch Firmen wie FUCHS, die das Projekt mit dem Ankauf von Zertifikaten finanzieren (siehe Interview), können die einheimischen Hersteller ihre Produktion verbessern und gleichzeitig ins Marketing investieren. Dadurch steigt die Nachfrage, was sich wiederum positiv auf den Preis auswirkt.

Dass das sehr erfolgreiche Projekt auch nach 14 Jahren Laufzeit noch lange nicht sein Potenzial ausgeschöpft hat, ist für Gassner klar. „Uganda ist relativ dicht besiedelt und hat eine hohe Geburtenrate. In 30 Jahren wird das Land voraussichtlich etwa 100 Millionen Einwohner haben“, erklärt er. „Was das bei konstanten Gewohnheiten beim Kochen und beim Holzverbrauch für die Umwelt bedeutet, kann man sich vorstellen. Deswegen ist es wichtig, effizienter zu werden – und dabei helfen wir.“  

9.000 Zertifikate
hat FUCHS für das Kochherd-Projekt in Uganda erworben. Dabei steht jedes Zertifikat für eine eingesparte Tonne CO2. FUCHS engagiert sich mit dem Ankauf weiterer Zertifikate auch für Umweltschutzprojekte in Peru, Mexiko, China, Indien und Namibia.

Markus Garb, Vice President Sustainability

5 Fragen an Markus Garb, Vice President Sustainability

FUCHS arbeitet seit Januar 2020 an seinen weltweiten Standorten bilanziell CO₂-neutral. Was bedeutet das genau?

Das bedeutet, wir neutralisieren unseren CO₂-Ausstoß innerhalb der eigenen Produktion für alle Standorte weltweit – vom Energieverbrauch in der Produktion bis hin zu Verbrauchsmaterialen in der Verwaltung oder Geschäftsreisen. Allerdings ist es manchmal unvermeidbar, dass wir als Industrieunternehmen CO₂ ausstoßen. Diesen Ausstoß gleichen wir durch Kompensationsmaßnahmen aus: Wir investieren in Regionen mit FUCHS-Standorten in Klimaschutzprojekte, die die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung unterstützen. Das Kochherd-Projekt in Uganda ist dafür ein gutes Beispiel. Wir machen das übrigens freiwillig, denn Nachhaltigkeit ist für uns ein zentraler Unternehmenswert. 

Wie funktioniert dieser Kompensationshandel?

Nach dem Prinzip der CO₂-Kompensation werden Treibhausgase, die an einem Ort der Erde entstehen, durch Klimaschutzprojekte an einem anderen Ort eingespart. Die Initiatoren dieser Projekte, beispielsweise First Climate, erhalten für ihr Engagement Emissionsgutschriften, die sie wiederum in Form von Klimaschutzzertifikaten an Unternehmen wie FUCHS verkaufen. 

Warum investiert FUCHS gerade in das Kochherd-Projekt?

Weil es als Gold Standard-Projekt nicht nur den Ausstoß von CO₂ mindert, sondern zahlreiche der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erfüllt. Es hat einen ausgesprochen großen Zusatznutzen für Mensch und Umwelt. Nur ein Beispiel: Die WHO schätzt, dass pro Jahr 20.000 Ugander durch giftige Rauchgase von offenen Feuerstellen sterben. Wenn Sie so wollen, sind das 20.000 Gründe, um das Projekt zu unterstützen. Zudem werden die Kochherde vor Ort hergestellt. Wir stützen somit die lokale Wirtschaft und sichern Arbeitsplätze und Einkommen der Menschen.

Gibt es etwas, was Sie an diesem Projekt besonders beeindruckt?

Mich beeindruckt, mit welchen einfachen Mitteln ein enorm großer Effekt erzielt wird. Es geht hier ja nicht um High-Tech, sondern um eine im Grunde sehr simple Technik. Natürlich gibt es modernere Alternativen zu den Kochherden, die sicher eine noch bessere CO₂-Bilanz haben. Aber wichtig ist doch, dass diese Lösung tatsächlich von großen Teilen der Bevölkerung angenommen wird. Sie fügt sich gut in den Alltag der Menschen ein und ist im Rahmen des Projektes auch finanzierbar. Die positiven Nebeneffekte für Gesundheit und Geldbeutel sind dann sofort für den Einzelnen spürbar. Das macht die Kochherde in meinen Augen zu einem echten Erfolgsprojekt.  

Welche Ziele verfolgt FUCHS in Sachen CO₂-Neutralität langfristig?

Natürlich wollen wir unseren Kunden langfristig gesehen originär CO2-neutrale Produkte verkaufen. Wir arbeiten daher mit unseren Lieferanten daran, dass sie uns CO₂-neutrale oder zumindest CO₂-reduzierte Rohstoffe liefern. Denn die Rohstoffe sind zu etwa 90 Prozent für den CO₂-Fußabdruck des fertigen Schmierstoffs verantwortlich. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch das schaffen werden.